„Lernstraße“ Universitätsgelände Stuttgart
Kunst und Zwischenraum • Bernd Rüdiger Damerow / Gerhard Sonns / Jo Heber
Lernstraße Universität Stuttgart-Vaihingen
Die Lernstraße ist Teil der Grünanlage, die die Universität Stuttgart-Vaihingen durchzieht. Die Ideen und Vorschläge in dem Gutachterwettbewerb zur Lernstraße erarbeiteten Gerhard Sonns und ich 1976. Dieses Projekt entwickelte sich dann über viele Jahre und mehrere Bauabschnitte bis ins Jahr 1992. In der Arbeit ergänzen wir uns, wie später dann auch mit Jo Heber, als Arbeitsgruppe „Kunst und Zwischenraum“. Eine der zentralen Skulpturen am Pergolaplatz benennt es : Haus und Stuhl, Stuhl und Haus ergänzen einander ohne Vorrang.
Von Anfang an gibt es ein Ineinander von Genauigkeit in geometrischen Abfolgen und spielerischer Offenheit in den Arbeitsmodellen und den fantasierend eingepassten Bedeutungen.
Als erstes baut Gerhard Sonns ein Zwischenraummodell, bei dem die Eingangshöhen der bestehenden und geplanten Bauwerke, die Höhen der angrenzenden Parkplätze, Straßen und Wege die festen Ränder eines Sandkastens bilden. Der Bausand innerhalb dieser Ränder wird dann als Topografie des Zwischenraums bespielt, bearbeitet und in Bewegung gehalten. (Erfahrungen mit Holz- und Pappmodellen hat Gerhard Sonns schon aus der Modellbauwerkstatt im Architekturbüro Heinle, und er hat auch Erinnerungen an Formsand, den er bei der Arbeit in der Bronzegießerei Noak in Berlin geschaufelt und gestampft hat.)
Als geometrischer Taktgeber verbindet ein Zwischenraumraster aus gerichteten Flächen die Bauraster der Gebäude. Als kleinste Einheiten werden eigens Pflastersteine hergestellt: ein Parallelogramm-Stein, ein Dreiecks-Stein und ein auf der Spitze stehender Quadrat-Stein.
Bildhafte Wege sind ein gepflasterter Schriftzug – … heu … : heute, heureka, heut‘ wüßt‘ ich’s ja-, ein Kreuzweg aus Tartanbelag, eine Zone mit einem Würfelwurf und ein Durchgang mit einer Würfelabwicklung aus Halbkugelaugen.
Es gibt Skulpturengruppen wie die Leerstühle aus Beton und die Hörsaalmodelle. Vor dem achteckigen Hörsaal stehen drei in der Größe abgestufte Modellgestelle dieses Hörsaals. In Beton gegossen sind sie Kant- und Rankgerüste für Efeu und wilden Wein. Rank- und Kletterpflanzen überwachsen auch zwei Wände des Hörsaals, zwei Grünwände, die auf dem Hörsaaldach mit einem begrünten Winkel verbunden sind.
Es entstehen ein Pergolaplatz, ein Laubenhausplatz, eine S-Bahnhaltestelle, dessen konzentrisch gefaltete Dachkonstruktion einen Quellpunkt überspannt; es gibt Baumfelder, schwingende Baumreihen, Sportflächen, Liegewälle und Liegewiesen.
>Die Wiese wächst. Wehe dem, der Wiesen in sich birgt.> Kurt Schwitters
Das Projekt der Lernstraße wird umgesetzt aus einem fast experimentellen Zusammenwirken zwischen den Künstlern, den Architekten und Ingenieuren des Universitätsbauamtes, den Gartenplanern des Büro Lutz und der Kunstkommission des Landes, die nach der Grundkonzeption weitere Künstler beauftragt: Jürgen Goertz, Jakob Mattner, Manfred und Dina Hülsewig, Fritz Schwegler, Fritz Fuchs und Hans-Dieter Schaal.
Bernd-Rüdiger Damerow
Juli 2017